»Je stärker der Stamm,
desto üppiger die Mistel.«

Prof. Dr. Josef Vital Kopp

Der Vielseitigkeit der Mistel schenkte man seit der vorchristlichen Zeit bis heute viel Aufmerksamkeit. Beständig liegt sie im Fokus von Medizinern, Pharmazeuten, Zoologen, Chemikern, Botanikern, Physiologen aber auch von Mythologen und sogar im Kunstgewerbe findet man sie wieder.

Der wissenschaftliche Name ›Viscum‹ stammt vom lateinischen Wort ›Leim‹ und beschreibt die klebrigen Beeren, aus denen die Römer Vogelleim zum Vogelfang herstellten. Der Name ›Mistel‹ leitet sich wahrscheinlich von ›Mist‹ ab, da die Samen durch Vogelmist verbreitet werden.

Pflanzenkunde

Die Mistel wächst als sogenannter Halbparasit auf Laub- und Nadelbäumen wie Apfelbäumen, Ulmen, Kiefern und Tannen. Nur selten ist sie auf der Wintereiche zu finden. Männliche und weibliche Mistelblüten entwickeln sich auf unterschiedlichen Mistelbüschen, so dass Insekten für die Bestäubung der Mistel verantwortlich sind. Sie entnimmt der Wirtspflanze Wasser und Mineralsalze, ist aber hinsichtlich der Kohlendioxid-Verwertung autotroph und bildet ihre organischen Baustoffe aus Kohlenstoffdioxid.

Die Sproß-Entwicklung der Mistel verläuft langsam und anstelle im Laufe einer Vegetationsperiode rasch viele Blätter zu bilden, entwickelt sich oft nur ein Stängel mit wenigen Blüten. Ein großer Mistelbusch ist demnach meist über zehn Jahre alt. Die Mistel ist in Europa, Nordwestafrika, Zentral- und Südwestasien, in der Mandschurai sowie Japan heimisch.

Inhaltsstoffe

Als Inhaltsstoffe sind Polypeptide, Proteine und Glykoproteine zu nennen. Die Polypeptide Viscotoxin A und B weisen toxische Eigenschaften auf. Aus der Pflanze kann man jedoch Glykoproteine, die sogenannten Lectine extrahieren, die ein selektives Bindungsvermögen für bestimmte Zuckerreste aufweisen. Sie können sich an verschiedenen Zelltypen anheften, was zum Verklumpen der Zellen führt. So reagieren sie mit bestimmten Blutgruppensubstanzen, Lymphozyten, Leukozyten und Makrophagen und sollen in der Lage sein, veränderte Membranstrukturen von Tumorzellen zu erkennen. Aus diesem Grund werden Mistelpräparate seit fast einem Jahrhundert als Zusatzbehandlung bei Tumorerkrankungen angewendet. Als Gesamteffekt der Mistel wird jedoch eine Immunmodulation gesehen. Durch Stimulation des Immunsystems führt der Organismus die Bereitschaft herbei, eine Abwehrreaktion einzuleiten.

Bluthochdruck

In der klassischen Heilpflanzenkunde unterstützt die Mistel zudem die Therapie gegen Bluthochdruck und Arthrosen. Reformwarenhäuser und Apotheken bieten dazu Misteltee an. In alten Mythen verehrte man die Mistel wie ein Heiligtum. Ihr befremdlicher Sitz in hohen Baumwipfeln ließ den Glauben entstehen, Götter hätten ihren Samen ausgestreut. Wer im Besitz der Mistel war, vermochte Schmerzen zu lindern, Kranke zu heilen, Schätze aufzuspüren und es wurden ihm alle Wünsche erfüllt. Demnach findet man in alten Darstellungen Mistelzweige in der Hand von Göttern, Medizinmännern, Priestern, Feldherren und Königen.

Keltisch-, germanischer Volksglaube

Eine besondere Rolle spielte die seltene Mistel, die auf Wintereichen wächst im Volksglauben der Germanen und Kelten (Gallier). So hielt der römische Gelehrte Gaius Plinius Secundus (23/24 –79) in seiner Enzyklopädie Naturalis historia (Naturgeschichte) fest:

»Uebergehen darf ich hierbei nicht die hohe Achtung, in welcher die Mistel in Gallia steht. Die Druiden (so heißen ihre Priester) kennen nichts heiligerers als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sobald er eine Wintereiche ist … wenigstens betrachten sie Alles, was auf dieser wächst als eine Gabe des Himmels und als ein Zeichen, daß dieser Baum von der Gottheit besonders auserwählt sei.

Man findet die Mistel jedoch nur selten; wenn man sie aber aufgefunden hat, so wird sie mit großer Feierlichkeit geholt, vorzugsweise am sechsten Tage nach dem Neumond, der bei ihnen den Anfang der Monate und Jahre angiebt, und auch eines Zeitabschnittes von 30 Jahren, indem der Mond dann schon kräftig genug sei und doch noch nicht die Hälfte seiner Größe erreicht habe, wobei sie die Mistel in ihrer Sprache „die alles Heilende“ nennen.

Nachdem sie unter dem Baume die gehörigen Opfer und Mahlzeiten veranstaltet haben, führen sie zwei weiße Stiere herbei, deren Hörner dann zum ersten Male bekränzt werden. Ein Priester steigt alsdann, mit einem weißen Kleide angethan, auf den Baum, schneidet mit einer goldnen Sichel die Mistel ab und thut sie in den weißen Mantel.

Dann werden die Opferthiere geschlachtet, wobei man die Gottheit anfleht, daß sie die Gabe denen, die sie damit beschenkt habe, gedeihen lassen wolle. In das Getränk gethan, soll sie alle unfruchtbare Thiere fruchtbar machen und Heilmittel gegen alle Gifte sein.« In seiner Naturgeschichte berichtete Plinius weiter über die Mistel: »Wenn sie Weiber auch nur bey sich haben, soll es die Empfängnis befördern.«

Gaius Plinius Secundus (23/24-79 v. Chr.), Enzyklopädie Naturalis historia

Fruchtbarkeitssymbol

So ist es nicht verwunderlich, dass die Mistel in vielen Ländern – beispielsweise in Frankreich und Japan – als altes Fruchtbarkeitssymbol fungiert. Eben aus diesem Grund trägt die Braut am Hochzeitstag beispielsweise in manchen Gegenden der Schweiz Mistelzweige im Kranz. Plinius wusste ferner um den Gebrauch der Mistel bei Geschwüren sowie Wunden und sogar bei Epilepsie wendete man sie an. Diese Anwendungsbereiche finden wir noch im Mittelalter in den Kräuterbüchern bei den ›Vätern der Botanik‹ Hieronymus Bock (1498–1554), Leonhard Fuchs (1501–1566) und Otto Brunfels (1488–1534) wieder.

Kuss unter dem Mistelzweig

In der Zeit des 19. Jahrhunderts entstand in England die Sitte, an Weihnachten Mistelbüsche am Dachfirst und über Stalltüren aufzuhängen, »wodurch dem Hause und dem Vieh Schutz vor Blitz, Feuer, Krankheit, bösen Geistern u. dgl. erwirkt werden sollte und Glück erhofft wurde«, wie es heute noch beim Anbringen von Hufeisen an Türen und dem Anschreiben von C. M. B. (Christus mansionem benedicat = Christus segne dieses Haus) erwünscht wird. Daraus entwickelte sich schließlich der in vielen Ländern beliebte Brauch, in der Weihnachtszeit einen Mistelzweig über die Türe bzw. ins Weihnachtsimmer zu hängen. Jede Dame, die sich unter diesem befindet, darf geküsst werden, was nicht nur in der Liebe Glück bringen soll.

Fruchtbarkeitssymbol

So ist es nicht verwunderlich, dass die Mistel in vielen Ländern – beispielsweise in Frankreich und Japan – als altes Fruchtbarkeitssymbol fungiert. Eben aus diesem Grund trägt die Braut am Hochzeitstag beispielsweise in manchen Gegenden der Schweiz Mistelzweige im Kranz. Plinius wusste ferner um den Gebrauch der Mistel bei Geschwüren sowie Wunden und sogar bei Epilepsie wendete man sie an. Diese Anwendungsbereiche finden wir noch im Mittelalter in den Kräuterbüchern bei den ›Vätern der Botanik‹ Hieronymus Bock (1498–1554), Leonhard Fuchs (1501–1566) und Otto Brunfels (1488–1534) wieder.

Kuss unter dem Mistelzweig

In der Zeit des 19. Jahrhunderts entstand in England die Sitte, an Weihnachten Mistelbüsche am Dachfirst und über Stalltüren aufzuhängen, »wodurch dem Hause und dem Vieh Schutz vor Blitz, Feuer, Krankheit, bösen Geistern u. dgl. erwirkt werden sollte und Glück erhofft wurde«, wie es heute noch beim Anbringen von Hufeisen an Türen und dem Anschreiben von C. M. B. (Christus mansionem benedicat = Christus segne dieses Haus) erwünscht wird. Daraus entwickelte sich schließlich der in vielen Ländern beliebte Brauch, in der Weihnachtszeit einen Mistelzweig über die Türe bzw. ins Weihnachtsimmer zu hängen. Jede Dame, die sich unter diesem befindet, darf geküsst werden, was nicht nur in der Liebe Glück bringen soll.