Eine natürliche Ernährung enthält kaum Kohlenhydrate, die den Blutzucker und seine regulierenden Mechanismen belasten. In den vorangegangenen Teilen unserer Serie zum Basisprogramm haben wir erfahren, dass wir eine solche „Low Carb“ – Ernährung über den weitgehenden Verzicht auf stark verarbeitete Lebensmittel und Süßspeisen erreichen.

Außerdem haben wir gelernt bei der Planung unserer Mahlzeiten die Eiweißversorgung in den Mittelpunkt zu stellen, um dem frühzeitigen körperlichen Abbau vorzubeugen. Gesunde Fette, allen voran Omega-3-Fettsäuren, unterstützen ergänzend die Herz-Kreislauf- und Gehirngesundheit und beugen Entzündungen vor. Nach den Eiweißen und Fetten kommen wir heute zu den Kohlenhydraten, der dritten großen Gruppe der Makronährstoffe. Hier heißt es, gewusst was und wann.

Der süße Zahn

Unser Hang zum Süßen hat viele Wurzeln. Er steckt zum einen tief in unseren Genen. Die schnell verfügbare Energie von Zucker brachte lange einen Überlebensvorteil. Die Süße reifer Früchte füllte im Spätsommer und Herbst unsere Energiespeicher und veränderte unseren Stoffwechsel, so dass wir im Winter trotz Nahrungsknappheit leistungsfähig blieben (reformleben Nr. 44, Harnsäurestoffwechsel). Das funktioniert auch heute noch, nur ist die Süße heute allgegenwärtig und der harte Winter bleibt, Dank Heizung und warmer Kleidung, aus. Wir sind das ganze Jahr im Speichermodus und bauen die Energie nicht mehr ab.

Die Lebensmittelindustrie hat unseren Geschmackssinn aber auch extrem auf süß getrimmt. Durch die Reduktion von Bitterstoffen, die den Heißhunger zügeln und durch den massiven Zusatz von Zucker (vor allem von Fruchtzucker) in zahlreichen Lebensmitteln sind wir heute zunehmend geneigt, zu viel und zu süß zu essen.

So hat sich die „Süße“ zu einem massiven Gesundheitsrisiko entwickelt. Ununterbrochen hohe Blutzuckerspiegel und vor allem auch die extremen Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten lassen die Mechanismen der Blutzuckerkontrolle mit den Jahren ermüden und der resultierende Zuckerüberschuss im Blut zerstört nach und nach zahlreiche Körpergewebe. Ein Krankheitsbild das als „Diabetes mellitus Typ II“ zusammengefasst wird. Gefäßverengung (Arteriosklerose), Herzinfarkt und Schlaganfall gehen mit auf das „Zuckerkonto“, chronisches Übergewicht, Entzündungsleiden (Rheuma), Impotenz, Leberversagen und Bluthochdruck, um nur einige zu nennen.

Viele Altersleiden sind so weniger den Jahren als der jahrelangen Fehlernährung geschuldet. Im Alter nehmen erschwerend noch die Muskelmasse ab, der „Hauptverbrenner“ des Blutzuckers und auch generell die Fähigkeit überschüssigen Zucker aus dem Blut zu entfernen.

Strategien zum richtigen Umgang mit Kohlenhydraten

  1. Low Carb

    Unser Körper kommt grundsätzlich ohne zugeführte Kohlenhydrate zurecht. Das merken wir, wenn wir länger nichts essen, wie beim Fasten. Wir sterben nicht. Im Gegenteil, wir werden leistungsfähiger. In unseren Anfängen war das überlebenswichtig, denn wer keine Nahrung fand, musste weitersuchen. Was geschieht hier im Körper, wenn keine Kohlenhydrate zur Verfügung stehen?

    Einige unserer Gewebe sind auf den Blutzucker „Glukose“ angewiesen, darunter vor allem das Nervensystem mit Gehirn und die roten Sauerstoff transportierenden Blutkörperchen. Das Gehirn kann, als Steuerorgan aller lebenswichtigen Prozesse, bisweilen bis zur Hälfte des täglichen Kohlenhydratbedarfs verzehren. Sind die Speicher leer, beginnt der Körper die hierfür notwendige Menge Glukose selbst zu produzieren. Stoffwechselwege, die fachsprachlich als „Glukoneogenese“ zusammengefasst werden, als die „Neubildung von Blutzucker aus nicht Zuckern“.

    Das geschieht vor allem in der Leber. Verwertet werden Bausteine des Eiweißstoffwechsels, wie die Aminosäure Glutamin, die in den Muskeln anfallende Milchsäure sowie Glycerin aus dem Fettabbau. Weil vor allem die Fette eine ergiebige Reserve für den Umbau bieten, fühlen wir uns bei dem Verzicht auf Kohlenhydrate „leichter“ und leistungsfähiger. Überschüssige Pfunde „schmilzen“ und der Blutzucker flutet stetig und immer im richtigen Maß an. Low Carb belohnt mit Leistungsfähigkeit, beugt der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus II vor und dem Übergewicht.
  2. Kontrolliert den Blutzucker anfluten – die zweitbeste Lösung

    Macht es eigentlich etwas aus, in welcher Reihenfolge wir Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate essen? Die Antwort ist ganz klar „ja“! Dazu müssen wir zwischen verschiedenen Kohlenhydraten unterscheiden:
    • Die sogenannten Ballaststoffe beeinflussen, wie auch Fette und Eiweiße, den Blutzuckerspiegel nicht. Wir können sie selbst nicht verwerten. Auf ihre Aufgabe kommen wir im nächsten Abschnitt zurück.
    • Die komplexen natürlichen Kohlenhydrate (Mehrfachzucker) aus Gemüse, Vollkorn und Hülsenfrüchten werden im Darm langsam abgebaut und sorgen so für einen gesunden gleichmäßigen Blutzuckerspiegel. Sie hinterlassen keine hohen Blutzuckerspitzen und belasten damit auch die Blutzucker regulierenden Mechanismen nicht.
    • Zucker (Süßes), zuckerhaltige Getränke, Fruchtzucker und Weißmehlprodukte, wie Pizza, Pasta und Co., lassen den Blutzucker dagegen schnell ansteigen. Sie liefern Blutzucker pur. Das verlangt hohe Insulinausschüttungen zur Gegenregulation nach den Mahlzeiten und erzeugt danach, durch den starken Abfall des Blutzuckers, schnell wieder „Heißhungerattacken“.

In puncto Blutzuckerbelastung geht es um die  richtige Dosierung und Zeit für diese dritte Kohlenhydratfraktion. 

Studien haben gezeigt, dass die Reihenfolge der Nahrungsmittel einer Mahlzeit entscheidend ist1-3. Essen wir ein belegtes Brot mit einem Glas Orangensaft (schnelle Kohlenhydrate) und danach einen Teller mit Hühnchen Fleisch, Brokkoli und Salat (langsame Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Fett, Eiweiß), steigt der Blutzucker schnell. Hohe Insulinausschüttungen zur Gegenregulation lassen ihn infolge übermäßig absinken, so dass der Blutzucker nach drei Stunden so niedrig ist, dass Heißhungerattacken folgen. Dreht man die Reihenfolge um, bleibt der Blutzucker, trotz gleicher Mahlzeit insgesamt, im Normalbereich  und die  Insulinausschüttung ist zeitlich um satte 50 Prozent verkürzt.

Das heißt, wir müssen auch die Struktur unserer Mahlzeiten überdenken. Kurzkettige Kohlenhydrate aus Nachspeisen, Süßem, Espresso mit Zucker, Fruchtsaft und auch Weißbrot oder Nudeln lieber am Ende essen. Vielleicht haben wir dann auch gar keinen Hunger mehr darauf, weil Eiweiß und Fett sowie komplexe Kohlenhydrate zuvor nachhaltig gesättigt haben.

Die richtige Reihenfolge der Nahrungsmittel hilft  abzunehmen, der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus II vorzubeugen und eventuell auch bei bestehendem Diabetes Medikamente zu sparen. Darüber muss aber immer der Arzt entscheiden.

Wem es schmeckt, der kann auch einen Esslöffel Apfelessig in ein Glas Wasser rühren und vor dem Essen trinken. Die Essigsäure darin ist eine kurzkettige Fettsäure. Sie trägt zur Darmgesundheit und zu einer normalen Verdauung bei und verlangsamt die Aufnahme kurzkettiger Kohlenhydrate.

Essen für mehr Darmgesundheit

Epidemiologische Studien bringen eine ballaststoffreiche Ernährung konsistent mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes mellitus II, Übergewicht, Darm- und Brustkrebs in Verbindung. Die langen, für uns Menschen nicht verdaulichen Pflanzenfasern haben es in sich. Sie dämpfen nicht nur die Blutzuckerspitzen nach den Malzeiten.

  • Die unlöslichen unter ihnen quellen im Darm stark auf und sorgen für mehr Stuhlvolumen und damit für ein schnelles Sättigungsgefühl, was uns weniger essen lässt. Außerdem schieben sie sich wie eine sanfte Bürste durch den Darm und fördern damit die Verdauung und die Darmbewegung.
  • Die löslichen Ballaststoffe dienen den Darmbakterien als Nahrungsquelle, mit weitreichenden Folgen.

Die natürlichen Bakterienkolonien im Darm, die „Darmflora“ oder das „Mikrobiom“, verdauen für uns die löslichen Ballaststoffe, die wir als Mensch nicht aufspalten können. Im Gegenzug erhalten sie Kost und Logis. Ein Tauschgeschäft. Zu unseren Gunsten, denn die dichte Besiedelung des Darms mit Bakterien, die mit uns im Einklang leben sowie das leicht saure Milieu ihrer Ausscheidungsprodukte (Postbiotika), lassen auch keine Nischen für krank machende Keime. Ihre kurzkettigen Fettsäuren liefern dem Darm außerdem Energie für seine Arbeit. Giftstoffe werden durch die Darmflora abgebaut und die Bakterien helfen bei der Vitamin-B-Produktion. Ist das sensible Bakterienvolk gesund, sind chronische Darmentzündungen und das Reizdarm-Syndrom seltener, Allergien und Unverträglichkeiten.

Die Darmflora schult als „Body-Double“ aber auch unser Immunsystem. Im Bindegewebe rund um den Darm sind rund 70 Prozent der Körperabwehr stationiert, das GALT (gut-associated-lymphoid-tissue). Die jungen Abwehrzellen lernen am Mikrobiom den Feind zu erkennen. Ein immunologisches „Gedächtnis“, das bei Widererkennung erbarmungslos zuschlägt. Kein Erreger, kein Fremdstoff, keine Krebszelle hat so eine Chance.

Weil Botenstoffe des Darms auch eng mit denen des Gehirns kooperieren, werden sogar psychische Leiden mit Störungen im Mikrobiom in Verbindung gebracht. Die Mikroben produzieren „Glückshormone“ und ein gesunder Darm wirkt sich mit seinen Reizen und Botenstoffen stabilisierend auf den Gehirnstoffwechsel aus.

Unsere Ernährung entscheidet über die Zusammensetzung der Bakterienstämme und ihrer Ausscheidungsprodukte und damit in vielfältiger Weise über unsere Gesundheit.


Rund 30g Ballaststoffe täglich gelten als Richtwert für den Bedarf. Besonders reich an gesunden löslichen Ballaststoffen sind z.B.

  • Zwiebel,
  • Lauch,
  • Spargel,
  • Chicorée,
  • Artischocke,
  • Topinambur,
  • Schwarzwurzel oder
  • Pastinake.

Wem es schwerfällt ausreichende Mengen aufzunehmen, der findet Einzel- oder Kombinationsprodukte unter den Nahrungsergänzungen. Sie liefern darmgesunde Ballaststoffe, wie teilhydrolysiertes Guakernmehl, in geeigneter Menge (Präbiotika) oder lebende Vertreter einer gesunden Darmflora mit passenden Ballaststoffen als „Brotzeit“ mit im Gepäck (Sym-Biotika), etwa Inulin, Faserstoffe und Milchsäurebakterien. Sym-Biotika sind ideal als Darm Kur, weil die Stämme den Weg in den Darm gut überstehen und sich dort stabil ansiedeln. Als Pulver z.B. zum Einstreuen in das morgendliche Frühstück.