Ein gutes Training für die Füße und den ganzen Körper. Wer sich mit Laufsport beschäftigt, kommt an dem Thema „Barfußlaufen“ nicht vorbei. Geradezu unüberschaubar ist das Angebot an Informationen, ebenso umfangreich das Angebot an Ausrüstung. Natural Running, Barfußlaufen, Barfußschuhe, Zehenschuhe … was steckt dahinter?

Ein ganz neues Gefühl!

Haben Sie schon einmal probiert, nach einer anstrengenden Trainingseinheit barfuß in weichem Gras auszulaufen? Ich kann Ihnen sagen, das ist ein echt tolles Gefühl! Die neue Bewegungsfreiheit für die Füße fühlt sich einfach Klasse an. Zumindest so lange, bis ein spitzer Stein oder eine scharfe Scherbe im Weg liegt. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich mir vor Jahren meine ersten Barfußschuhe gekauft. „Five Fingers“-Zehenschuhe, um genau zu sein. So konnte ich die Freiheit für die Füße bewahren, und trotzdem geschützt auf nahezu jedem Untergrund laufen. Nach anfänglichen Spaziergängen und kurzen Laufrunden, möchte ich heute meine Barfußschuhe auch bei längeren Läufen auf Straße und im Gelände, bei Bergwanderungen und sogar bei der Arbeit nicht mehr hergeben.

Auch im Winter ist es einfach toll, mit den Zehenschuhen über einen frisch verschneiten Waldweg zu laufen, am besten noch nach Feierabend mit der Stirnlampe. Ein tolles Training, insbesondere auch für Koordination und Trittsicherheit. Umgeknickt bin ich mit den Barfußschuhen – im Gegensatz zu früher mit „normalen“ Laufschuhen – übrigens noch nie.

Was ist natürliches Laufen?

Haben Sie Kindern einmal beim Laufen zugesehen? Stolz wie Oskar rennen sie – nur mit Strümpfen – durch die Wohnung und zeigen, was sie soeben gelernt haben. Gerade bei Kindern kann man noch natürliches Laufen sehen: Der Fuß kommt flach auf dem Boden auf, das Knie ist leicht gebeugt, der Körperschwerpunkt ist über dem Fuß. Auf diese Weise kann die natürliche Dämpfung – ein komplexes Zusammenspiel aus Fußgewölbe, Achillessehne, Kniegelenk und der Muskulatur des Beins – optimal arbeiten und somit Stöße auf Hüftgelenk und Wirbelsäule abfedern. Leider verlernen wir das natürliche Laufen sehr schnell wieder. Das gut gedämpfte und häufig sehr steife Schuhwerk verleitet uns, den Schritt länger werden zu lassen. Der Fuß kommt mit der durch den Schuh gedämpften Ferse und gestrecktem Bein zuerst auf, weit vor dem Körperschwerpunkt. In der Folge werden die Stöße über das gestreckte Knie direkt auf Hüftgelenke und Wirbelsäule übertragen.

Der Mensch, ein genialer Läufer?

Es gibt viele Hinweise darauf, dass der Mensch eigentlich ein perfekter Läufer ist – zwar nicht der schnellste, aber der ausdauerndste Läufer. So waren die frühen Menschen bereits in der Lage, Tiere zu Tode zu hetzen und somit an proteinreiche Nahrung zu gelangen, lange bevor es Jagdwaffen gab. Die herausragenden Laufleistungen, die wir auch heute noch bei manchen Naturvölkern sehen, sind nicht abhängig von hochtechnischen Laufschuhen. Sie sind mit einfachem, sandalenartigem Schuhwerk möglich. Nicht umsonst wurden die Laufleistungen amerikanischer Marathonläufer bei Wettkämpfen bedeutend schlechter, nachdem der Siegeszug moderner gedämpfter Laufschuhe durch die Erfindungen von Phil Knight und Bill Bowerman in den 1960er Jahren
begann. Abebe Bikila wurde 1964 übrigens
als Barfußläufer Olympiasieger im Marathon.

Laufen und Verletzungen

Viele Laufsportler fragen sich, warum sie immer wieder unter Verletzungen und Überlastungssymptomen leiden. Ist es nicht erstaunlich, dass trotz immer neuer Innovationen der Sportschuhhersteller die Verletzungshäufigkeit bei Läufern nicht abgenommen hat? Kritisch betrachtet ist dies nicht verwunderlich! Biomechanische Analysen auf dem Laufband zeigen, dass die Stoßbelastung auf Hüftgelenke und Wirbelsäule beim Barfußlaufen deutlich geringer ist als beim Laufen mit gedämpften Schuhen.

Eine weitere Studie bringt gar Erstaunliches zu Tage! Die Befragung tausender amerikanischen Ausdauersportler ergab, dass die Verletzungshäufigkeit höher ist, wenn die Schuhe teuer sind und auch noch häufig erneuert werden. Anscheinend gibt erst ein alter, ausgelatschter Sportschuh dem Fuß die Freiheit, wieder „normal“ arbeiten zu können.

Barfußlaufen für alle?

Unsere Füße haben sich über die Jahre an das Gehen und Laufen in gewöhnlichen, d.h. festen und gedämpften Schuhen angepasst. Womöglich haben sich bereits fixierte Fehlstellungen oder Gelenkverschleiß eingestellt. Daher ist ein Umstellen auf Barfußschuhe nicht immer ohne weiteres möglich. Probieren Sie doch einmal aus, ob Ihnen barfuß Gehen gut tut. In der Wohnung, im Garten, auf einer Wiese im Park oder auf Sand. Wenn bereits hier Beschwerden auftreten und Sie dabei kein gutes Gefühl haben, sollten Sie mit Ihrem Orthopäden klären, inwieweit Fehlstellungen oder Verschleiß vorliegen, die gegebenenfalls einer Therapie bedürfen. Wenn Ihnen jedoch die ersten Barfußversuche gut tun, dann könnte sich die Investition in Barfußschuhe lohnen.

Die Tragezeit und die Belastung sollte jedoch sehr langsam gesteigert werden, um dem Fuß Zeit zu geben, sich auf das Neue einzustellen. Von kurzen über lange Spaziergänge bis hin zu leichten Laufrunden dauert es sicherlich mehrere Monate. Kinder sollten jedoch möglichst viel barfuß gehen und laufen, und auch spielerisch regelmäßig Balanceübungen machen. Moderne Spielplätze bieten hier viele Möglichkeiten.

Welche Schuhe gibt es?

Barfußschuhe bieten maximale Fuß- und Zehenfreiheit und schützen dennoch vor Steinen, Scherben oder Splittern. Diese Schuhe haben eine sehr dünne und flexible Sohle, die auf Dämpfung, Stützen, Fersenschale oder Sprengung (Anmerkung der Redaktion: Höhenunterschied von der Ferse bis zum Vorfuss) verzichtet. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch ein gesunder und trainierter Bewegungsapparat sowie ein bewusster Vorfußlaufstil.

Zehenschuhe sind eine besondere Form der Barfußschuhe. Durch einzelnes Verpacken jeder Zehe wie beim Fingerhandschuh sollen die Zehen aktiv an der Laufbewegung beteiligt und so die Muskelaktivität in besonderer Weise gefördert werden. Es gibt auch spezielle Trainingsschuhe, die mit geringer Dämpfung, minimaler Sprengung und ohne Fixierung der Ferse auskommen. Diese Schuhe können einen sanfteren Einstieg in das Thema ermöglichen, weil sie weniger extrem ausfallen als echte Barfußschuhe. Verschiedene Hersteller bieten Barfußschuhe für alle Lebenslagen an. Es gibt Sandalen mit dünner Ledersohle und Baumwollriemchen zur Befestigung. Natürlich gibt es typische Sportschuhe, aber auch alltagstaugliche Schuhe, die sogar zum leichten Sommeranzug gut passen und sogar Winterschuhe.