Bakterien waren schon lange, bevor es Menschen gab, auf der Erde. Erstmals gesehen wurden sie im 17. Jahrhundert (1675), von Antoni van Leeuwenhoek in Delft. Mithilfe eines selbst gebauten Mikroskops (Vergrößerungsfaktor 270) hatte er Wasser aus Regenpfützen untersucht. Ungefähr 200 Jahre später bauten Feinmechaniker und Optiker in Wetzlar (Carl Kellner, Ernst Leitz) Präzisionsmikroskope, die vor allem von medizinischen Forschern genutzt wurden. Deren wichtiges Ziel war es, die Ursachen von Infektionskrankheiten herauszufinden.

Mithilfe der Mikroskopie war es nun möglich geworden, spezifische Bakterienarten als Krankheitserreger zu identifizieren.

Und Medikamente zum Abtöten dieser Bakterien (Sulfonamide, Antibiotika) zu entwickeln. Zweifellos war dieser Ansatz äußerst erfolgreich. Wo viel Licht ist, ist aber auch Schatten. Bald wurden Antibiotika auch gegen banale Infektionen eingesetzt. Inzwischen kommt kein Krankenhaus, kaum eine Praxis und kaum noch ein Mensch ohne Antibiotika aus. Was mit dieser chronischen Antibiotikaeinwirkung, die es erst seit ein paar Jahrzehnten gibt, aus uns – und unserer Darmflora – wird, ist ungeklärt. Obwohl heutzutage sonst alles Mögliche evaluiert wird. Vor allem nach wiederholten Antibiotika-»Kuren« bleibt – je nach Art der verordneten Mittel – ein mehr oder weniger großer Teil der bisherigen Darmflora auf der Strecke. Und wird von anderen – auch von antibiotikaresistenten Krankheitserregern »ersetzt «. So können chronische Krankheitsprozesse u.a. im Darm entstehen.

Die ersten Bakterienarten

Die ersten Bakterienarten wurden von Ärzten entdeckt, die nach den Ursachen und Erregern von Krankheiten forschten. Die Identifizierung von krankheitsverursachenden Bakterien und deren Bekämpfung hat viele Kranke gerettet. Das soll keinesfalls in Zweifel gezogen werden. Wer aber Bakterien nur als Krankheitserreger ansieht, wird sich schwer damit tun, Bakterien – wenn auch von anderer Art – als Gesundheitserreger anzuwenden.

Naturheilkunde

Die Naturheilkunde hat jedoch – anfangs noch intuitiv, unbewusst und nicht gleich mit durchschlagendem Erfolg – mit gesundheitsfördernden Bakterien, zum Beispiel aus Rohkost, Heilerde und fermentierten Lebensmitteln zusammen gearbeitet. Heute wissen wir, wissenschaftlich begründet, mehr und genaueres dazu. Ausgerechnet das Human Genom Projekt, 1990 in den USA gestartet um das Erbgut des Menschen vollständig zu analysieren, hat – paradoxerweise – dazu beigetragen. Auf das Milliarden teure Projekt (von 1990–2001) wurden große Hoffnungen gesetzt. Vor dem Start schon hatte man – wegen der Komplexität des menschlichen Organismus – mit über 100.000 Genen gerechnet. Tatsächlich haben wir aber nur rund 20.000 Gene in unseren Chromosomen. Das sind nur ein paar Gene mehr als beispielsweise in den Chromosomen einer Maus.

Wie kann aber unser hoch komplexer Organismus mit dieser vergleichsweise geringen Zahl von Genen auskommen?

Tatsächlich brauchen wir für weitaus mehr Funktionen als bisher bewusst war das Mikrobiom in unserem Darm. Zusammen mit den Bakterien, die in unserem Darm wohnen, steht uns ein Pool von mehreren hunderttausend Genen zur Verfügung. Daher ist in Anlehnung an das Wort Genom die Bezeichnung Mikrobiom entstanden. Lange war schon bekannt, dass wir ohne »unsere« Darmbakterien nicht leben könnten. Nun entstehen aber aus dieser alten Einsicht neue Konsequenzen.

Aktuelle Darmflora

Die aktuelle Darmflora – das Mikrobiom – eines Menschen ist ebenso individuell wie sein Genom und sein Fingerabdruck – und auch seine Dispositionen für Gesundheit bzw. Krankheit. Die Besiedlung mit Darmbakterien beginnt gleich nach der Geburt, unterschiedlich, je nach Umweltfaktoren und Ernährung, und ändert sich im Laufe des Lebens mehr oder weniger. Die Darmflora kann einen wesentlichen Beitrag zum Gesundsein erbringen. Wenn die Darmflora optimal ist, können genetische Krankheitsfaktoren reduziert werden (siehe Epigenetik). Wenn die Darmflora nicht optimal ist, wächst die Gefahr, an chronischen Entzündungen an Allergien an Immunstörungen an Krebs zu erkranken. Daher ist es sinnvoll, für eine optimale Darmflora zu sorgen. Oftmals, aber nicht immer, geht den genannten Erkrankungen ein Reizdarmsyndrom als Hinweis auf eine gestörte Darmflora voraus.

Was kann nun zur Optimierung der Darmflora getan werden?

Wesentlich mitbestimmt wird die Darmflora von der Art unserer Ernährung. In wissenschaftlichen Studien wurden drei nahrungsgeprägte Enterotypen gefunden: Im Darm von Probanden, die Fleisch essen, dominieren Bakterien der Bacteroides-Gruppe. Bei Vegetariern herrscht dagegen der Prevotella-Typ vor: eine anaerob wachsende, vergärende Bakterienart. Auch die Ruminococcus- Gruppe kommt vor allem im Darm von Pflanzenessern vor. Besonders günstig für die Optimierung der Darmflora scheint eine kalorisch knappe Ernährung zu sein. Dann finden sich im Darm mehr Lactobacillen und weniger opportunistische Krankheitserreger. Vermutlich ist diese Darmflora ein Hauptfaktor der Korrelation zwischen kalorisch knapper Ernährung und längerer Lebenserwartung. Wer relativ wenig isst sollte dabei aber vegetabile Kost, fermentierte Nahrungsmittel und Pfl anzenöle (Leinöl, Kokosöl) bevorzugen (siehe reformleben Printausgabe 1 und 3) und dazu Curcuma einnehmen. Pflanzenstoffe, vor allem Ballaststoffe, sowie Phytoöstrogene und Flavonoide begünstigen eine gesundheitsfördernde Darmflora.

Was ist schädlich für die Darmflora?

Schädlich für die Darmflora sind Konservierungsstoffe, Antibiotika, Chemotherapeutika, Herbizide, Fungizide, Tenside, Schwermetalle, Röntgenstrahlen. Im Alter findet sich oftmals ein verändertes Mikrobiom. Häufig verweilt die Nahrung dann länger im Darm, der mehr von Clostridien – und weniger von Bifidusbakterien, Lactobacillen und Bacterioides-Arten – besiedelt ist.

Daher ist es für ältere Menschen unbedingt ratsam, für die Optimierung ihres Mikrobioms zu sorgen. Das kann vor allem bei chronischer Müdigkeit und Schwäche, bei Antriebs-und Leistungsstörungen und resultierender depressiver Erschöpfung überraschend hilfreich sein. Oftmals ist bei Menschen, die an diesen Symptomen leiden das große Blutbild und auch die Analyse weiterer Serumparameter unauffällig: »alles in Ordnung«.

Seelischer Faktor

Verständlicherweise wird dann oft an seelische Faktoren gedacht, neuerdings vermehrt auch an Nahrungsmittelunverträglichkeiten – und selten nur an ein beeinträchtigtes Mikrobiom. Tatsächlich kann eine ganze Reihe von Patienten, denen es emotional nicht gut geht und die sich schwach fühlen, bestimmte Nahrungskomponenten (z. B. Fructose) nicht mehr vertragen. Gerade die Fructoseintoleranz ist ein zunehmend häufiges Problem, dass bei unseren Vorfahren kaum bekannt war. Dem entsprechend ist die genetisch bedingte Fructoseintoleranz sehr selten.

Warum aber werden Unverträglichkeiten von natürlichen Nahrungsmitteln zunehmend häufiger?

Entstehen Sie weil es den Betroffenen emotional nicht gut geht? Oder ist das genau umgekehrt: ist die Nahrungsunverträglichkeit Auslöser der emotionalen Störung, der Schwäche und der Müdigkeit? Was ist Ursache, was ist Folge? Die eigentliche Ursache (und Lösung) dieser Problematik kann aber bei manchen Patienten – gewiss nicht allen – im Darm zu finden sein.

Genauer gesagt: im Mikrobiom des Darmes. Noch genauer gesagt: in einem aktuell gestörten Mikrobiom. Dieser vorsichtige Hinweis mag auf den ersten Blick aberwitzig erscheinen. Gewiss kann ein natürlich gesundheitsförderndes Mikrobiom kein Allheilmittel sein. Mit speziellen Medikamenten und Maßnahmen funktioniert die moderne Medizin ohne – und sogar gegen – unser Mikrobiom. Das durch massenhaften Einsatz von Antibiotika und Magensäureblockern (Protonenpumpenhemmern, z.B. Omeprazol oder Pantoprazol ) verändert wird – und dazu noch durch Tenside und Umweltgifte (Herbizide, Fungizide). Gleichzeitig wächst die Flut der Zivilisationskrankheiten.

Zu bedenken ist nun:

Mikrobiom

Das Mikrobiom ist unverzichtbar wichtig für Leben und Gesundheit. Mit einem keimfreien Darm könnten wir nicht leben. Mit einem gestörten Mikrobiom können wir nicht gesund sein bzw. werden. Etliche Mittel und Maßnahmen der modernen Medizin – und andere Zivilisationsprodukte – verändern unser ursprüngliches Mikrobiom. Ein verändertes, beschädigtes Mikrobiom kann ursächlicher Mitfaktor häufiger Krankheiten (Zivilisationskrankheiten) sein.

Trotz Erfolge immer mehr Kranke

Trotz großer Erfolge der modernen Medizin erkranken mehr Menschen an Allergien Autoimmunkrankheiten chronischen Entzündungen Demenz Depression Krebs Nahrungsunverträglichkeiten Nervenleiden Rheuma. Gewiss ist ein gestörtes Mikrobiom bei all diesen Leiden nicht der einzige Krankheitsfaktor – aber oft ein vernachlässigter. Immer wieder habe ich in der Praxis nach geduldiger, sorgfältiger Pflege des Mikrobioms erstaunliche Verbesserungen gesehen, die am zutreffendsten wohl als Umstimmung zu beschreiben sind. Diese Basismaßnahme erfordert die geduldige Mitarbeit der Patienten. Nicht jeder Patient wird dazu bereit und willens sein.

Ernährung

Die Mittel zur Sanierung und Optimierung des Mikrobiom bekommt man natürlich nicht von den Krankenkassen. Voraussetzung für ein gesundheitsförderndes Mikrobiom ist die artgerechte, naturgemäße, vegetabile Ernährung mit ausreichend hohem Rohkostanteil. Wer häufig, aus welchen Gründen auch immer, von dieser Ernährungsweise abweicht, sollte ganz besonders auf das Mikrobiom achten. Das gilt auch für Menschen, die Naturkost – oder Komponenten davon, zum Beispiel Fructose oder Laktose – nicht vertragen und natürlich auch für Menschen, die hin und wieder Zivilisationskost essen. In all diesen Situationen kann es sehr sinnvoll sein, Probiotika aufzunehmen.

Die Darmbarriere
Die Darmbarriere verhindert die unkontrollierte Aufnahme von Schadstoffen in den Gesamtorganismus. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist diese Funktion meist schwer gestört. Dann kann eine Art Teufelskreis aus Entzündung, durchlässiger Darmbarriere, Eindringen von Schadstoffen und folglich immer mehr Entzündungsreaktion entstehen. Außerdem beeinträchtigt vermehrtes Einströmen von Schadstoffen aus dem Darm in das Blut die Funktion von Hirn und Nervenzellen.
Transskriptionsfaktor ZONAB

Inzwischen wurde mit dem Transskriptionsfaktor ZONAB, der aus geschädigten Tightjunctions freigesetzt wird, auch ein Zusammenhang zwischen ungünstiger Darmflora und der Entstehung bösartiger Zellveränderungen entdeckt. Besonders ratsam ist das nicht nur bei Darmerkrankungen (z. B. Reizdarm und chronisch entzündliche Darmerkrankungen sowie Funktionsstörungen, Durchfällen oder Obstipation) sondern auch bei Allergien, Immunstörungen, Bindegewebs-, Gelenks-und anderen Entzündungen (daher auch zur Prävention von Demenz), zur Prävention von Krebserkrankungen oder nach Chemotherapie bzw. Bestrahlung und – last not least – bei psychischer Belastung. Inzwischen werden probiotische Präparate mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Qualität angeboten. Um das für Sie, für ihren Bedarf geeignete Probiotikum herauszufinden, sollten Sie besonders auf die Zusammensetzung auf die Dosierung und die Qualität achten.

Kombination von probiotischen Bakterienarten

Entscheidend dabei ist die Kombination der wichtigsten, sorgfältig ausgewählten probiotischen Bakterienarten (Lactobacillus-Arten, Bifidobakterien-Arten, Streptococcus thermophilus), die genetisch sicher sind, die synergistisch zusammenwirken, die in ausreichend hoher Dosierung (um das Darm-Mikrobiom zu erreichen) enthalten sind. Gerade bei Probiotika sind an die Kompetenz und die Erfahrung des Herstellers höchste Anforderungen zu stellen. Auch in ihrem Reformhaus können Sie solche Produkte finden. Zum dauerhaften Gebrauch vor allem eines davon, das fördernd für die enthaltenen vier Lactobacillenstämme (auch für Veganer sehr wichtig) als Prebiotikum eine ausreichende Dosis von Inulin (»Topinamburstärke«) enthält.

Was kann und sollte nun aufgrund dieser Erkenntnisse getan werden? Weiterhin gilt: 

  • Entzündungen flach halten. Wer Leinöl verträgt, kann täglich 10 –30 ml davon
    (bitte auf gute Bio Qualität achten) nehmen, bei individuellem Bedarf sogar mehr
    (siehe reformleben 1.Ausgabe)
  • Mit Curcuma/Curcumin für die Gesundheit der Darmschleimhaut und gegen
    Entzündungen wirken (siehe reformleben 2.Ausgabe)
  • Mit Kokosöl für eine gesunde Ernährung der Körperzellen, auch der Hirn- und
    Nervenzellen sorgen (siehe reformleben 3.Ausgabe)
  • Zum Ausgleich von Schäden der Darmflora durch Zivilisationskost und andere
    ungünstige Einwirkungen ist die Zufuhr von Probiotika
    sinnvoll. Um ein möglichst gesundheitsförderndes Mikrobiom wieder herzustellen.