»Die Kraft, das Weh im Leib zu stillen,
verlieh der Schöpfer den Kamillen.
Sie blühn und warten unverzagt
auf jemand, den das Bauchweh plagt.«

Die Anwendung von Kamillenblüten bei gesundheitlichen Beschwerden ist seit dem Altertum bekannt und findet sich bspw. in der materia medica des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides (um 1.Jh.) und in der Naturgeschichte des römischen Gelehrten Gaius Plinius Secundus (23/24 –79), der der Pflanze einen apfelähnlichen Geruch und daher neben anderen den Namen ‘chamaemelon’ (griech. chamai = auf der Erde, melon = Apfel) zuschreibt.

Mutterkraut

Kamille kam früher als ‘Mutterkraut’ zum Waschen und Reinigen von Frau und Kind nach der Entbindung zur Anwendung. Es gehörte zudem wie bspw. Majoran, Weidenröschen, Waldmeister, Thymian, Labkraut oder Johanniskraut als ‘Freya’s Bettstroh’ in die Matratze bzw. Kissen einer Wöchnerin, um Infektionen zu vermeiden. Unter dem Namen ‘Krottenkraut’ (Krötenkraut) sammelten Frauen des Mittelalters Kamille, um sich vor Mißgeburten zu schützen. Denn dem Verständnis des mittelalterlichen Menschen zufolge, war die ‘Krott’ verantwortlich für Mißgeburten, sodass die Kröte zum Symbol einer kranken Gebärmutter wurde.

Zum Schutz gegen Mißgeburten oder Heilung einer kranken Gebärmutter sollten Frauen Krötenkräuter (Löwenzahn, Kamille oder Nabelkraut) sammeln oder Krötenbilder in der Kirche opfern. Im ‘Contrafayt Kreüterbuch’ des Mediziners und Botanikers Otto Brunfels (1488 –1534) ist weiterhin über die Kamille zu lesen : »Chamillenblümen getruncken / oder darinn gebadet / treibet den frawen ire zeit / die geburt / harn / und stein. […] Getruncken […] zerteilet die geschwulst des magens […] Wunden und schaden damit geweschen heylet sye […]«

Menstruationsbeschwerden

Das heißt, dass im Mittelalter Kamillenblütentee die Menstruation aber auch (vor allem in hohen Dosen) die Geburt auslösen, die Harnbildung fördern und bei Steinleiden helfen konnte. Die Therapie von Magengeschwür oder Wunden mit Kamille finden wir heute noch in der modernen Phytotherapie, ebenso die krampflösenden Eigenschaften bei Menstruationsbeschwerden.

Im mitteleuropäischen Raum wird zumeist die ‘Echte Kamille’ verwendet, wohingegen in anderen Ländern oftmals die ‘Römische Kamille’ mit größeren Blütenköpfen zur Anwendung kommt. Die Blütenköpfe der echten Kamille haben – was sich gut als Unterscheidungsmerkmal eignet – im Gegensatz zur allergen wirkenden Hundskamille einen hohlen Blütenboden.

Inhaltsstoffe

Das ätherische Öl der Kamille beinhaltet Bisabolol und das dunkelblau gefärbte Chamazulen, das in der Pflanze zwar nur in geringen Mengen vorkommt, aber mittels Wasserdampfdestillation aus der farblosen Vorstufe Matricin entsteht. Des Weiteren sind Flavonoide und Schleimstoffe vorhanden – erstere werden für die spasmolytische Wirkung verantwortlich gemacht. Chamazulen, Bisabolol und die Flavonoide haben entzündungshemmende Eigenschaften. Wie beim Johanniskraut gelten am Johannistag (24. Juni) gesammelte Kamillen als besonders heilkräftig. Die Kamille genießt daher ein hohes Ansehen im Volke, so heißt es in der Gegend von Neustadt am Rübenberge (Provinz Hannover): „Vör’n Kamillenkoppe mut’n de Mützen afnehmen“ – man müsse also vor der Kamille den Hut abnehmen.

Antibakteriell, krampflösend und wundheilend

Kamille wirkt jedoch nicht nur entzündungshemmend sowie krampflösend und damit wundheilend und entblähend, sondern zudem antibakteriell, fungizid und schmerzstillend. Kamillentee wird bei akuten und chronischen Entzündungen der Magenschleimhaut angewendet und soll sogar bei Magengeschwür unterstützend wirksam sein. Des Weiteren kann Kamillentee bei Magen-Darm Beschwerden, Magenkrämpfen, Unterleibskrämpfen oder Schlafstörungen eingesetzt werden. Äußerlich eignet sich der Tee zum Gurgeln bei Mund und Rachenentzündungen, zu Spülungen oder Umschlägen bei schlecht heilenden Wunden und als Sitzbäder bei Reizungen im Anal- oder Vaginalbereich. Kamillendampfbäder lindern erkältungsbedingten Schnupfen.

Gegenanzeige

Die Pflanze darf allerdings nicht bei Augenentzündungen verwendet werden, da sie augenreizend ist und für Personen, die allergisch auf Korbblütler wie bspw. Arnika, Ringelblume, Wermut oder Sonnenblume reagieren, ist die Kamille als weiterer Vertreter der Korbblütler ebenfalls tabu. Da immer mehr Menschen auf Kamille allergisch reagieren wird diskutiert, ob der Anbau in Monokulturen, bei dem oftmals Pestizide zum Einsatz kommen, dafür verantwortlich ist. Es ist daher ratsam, Kamillenblütentee nur aus kontrolliert-biologischem Anbau über die Reformhäuser oder Apotheken zu beziehen.